Keine Ausreden:
Deutsche Aufsichtsräte in die Verantwortung

+ + + Dieser Artikel wurde in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins ‚Der Aufsichtsrat‘ publiziert. + + +


Die Wettbewerbsfähigkeit vieler deutscher Unternehmen steht an einem kritischen Wendepunkt. Die internationale Konkurrenz, insbesondere aus China, aber auch den USA, holt nicht nur auf, sondern übernimmt in einigen Branchen zunehmend die Führung. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz greifen etablierte Geschäftsmodelle an. Zudem verändert sich die geopolitische Lage rasant, wodurch sich u.a. Handelshemmnisse aufbauen, und Kapitalströme verschieben. Agilität und Innovationskraft werden zur Überlebensfrage.

Gerade jetzt müssen Aufsichtsräte ihre Verantwortung neu definieren – nicht nur als Kontrollinstanz, sondern als treibende Kraft des Wandels. Dabei geht es nicht darum, die Aufgaben des Vorstands zu über-nehmen, sondern ihn als aktiver Sparringspartner – mit Weitblick und Unabhängigkeit – herauszufordern und zu unterstützen.

Aufsichtsräte tragen unternehmerische Verantwortung

Jetzt ist der Moment, die Weichen neu zu stellen und den unternehmerischen Erfolg aktiv mitzugestalten. Wer sich nur auf Kontrolle beschränkt, statt frühzeitig Chancen zu erkennen, schwächt das Unternehmen. Wer hingegen Bestehendes kritisch hinterfragt, Kundenbedürfnisse sowie strategische Differenzierung ständig im Blick behält und vorausschauend Impulse setzt, schafft nachhaltigen Wert. Der Aufsichtsrat muss vom Vorstand konsequent einfordern, die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens aktiv zu sichern und zukunftsorientiert weiterzuentwickeln.

Es ist Aufgabe des Aufsichtsrats, kommende Herausforderungen und Chancen zu antizipieren und den Vorstand zu inspirieren, zu ermutigen und zu unterstützen – sei es bei der Eruierung alternativer Geschäftsmodelle oder bei der Investition in innovative Technologien. Nicht genutzte Chancen können schnell zu strategischen Risiken werden. Dies erfordert Mut und Entscheidungsfreude: Ein verantwortungsvoller Aufsichtsrat denkt unternehmerisch, handelt mit Weitblick und definiert bzw. treibt dementsprechend die Agenda der Sitzungen.

Dazu gehört auch, den Kapitalmarkt stets im Blick zu behalten: Investoren erwarten klare, langfristige Strategien mit messbaren Fortschritten. Der Kapitalmarkt muss gehört, wenn auch nicht immer befolgt werden. Ein regelmäßiger, proaktiver Dialog zwischen Aufsichtsrat und Investoren stärkt das Vertrauen, erhöht die Transparenz und macht dadurch auch den Standort Deutschland attraktiver für Kapital.

Wer mitentscheidet, sollte auch am Erfolg und Risiko beteiligt sein. Dennoch verpflichtet sich bislang nur ein Bruchteil der deutschen Aufsichtsräte dazu, eigene Unternehmensaktien zu halten. Weniger als 10 % der DAX-40- und MDAX-Unternehmen haben eine entsprechende Selbstverpflichtung für die Vertreter der Anteilseigner eingeführt – und die Zahl stagniert. Dazu zählen u.a. BASF, Bayer, Brenntag, Fuchs Petrolub, Rheinmetall und RWE.

Aufsichtsräte als Treiber einer Performance-Kultur

Als oberstes Kontrollorgan trägt der Aufsichtsrat die Verantwortung für eine leistungsorientierte Unter-nehmenskultur. Dies bedeutet: klare, ambitionierte Ziele, konsequente Nachverfolgung der Umsetzung und eine unmissverständliche Erwartungshaltung gegenüber dem Vorstand. Leistungsschwächen dürfen nicht toleriert, sondern müssen transparent und entschieden adressiert werden.

Der Aufsichtsrat setzt das Ambitionsniveau – u.a. mit der Festlegung der erfolgsabhängigen variablen Vergütung des Vorstands. Mittelmaß und Komfortzonen sichern weder den langfristigen Erfolg noch die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Ein leistungsorientierter Aufsichtsrat fordert und fördert Höchstleistungen, orientiert sich am internationalen Wettbewerb und setzt klare Maßstäbe für nachhaltige Wertsteigerung. Dies zeigt sich sowohl in der Definition der relevanten Peer Group als Benchmark, als auch in der Ausgestaltung der Zielerreichungskurve der variablen Vergütung. Zudem scheuen sich viele Gremien, individuelle Vorstandsleistungen auch einmal mit weniger als 100 % Zielerreichung zu bewerten – eine verpasste Chance, echte Spitzenleistungen zu incentivieren. Ein konsequentes Pay-for-Performance-Prinzip stellt sicher, dass erfolgsabhängige Vergütung nicht für Durchschnitt, sondern für Exzellenz gezahlt wird.

Ein Unternehmen, das nachhaltig erfolgreich und wettbewerbsfähig sein will, benötigt einen Vorstand, der diesen Anspruch lebt. Es ist Aufgabe des Aufsichtsrats, dieses Team zu formen – auch durch gezielte Förderung interner Talente und eine langfristige Nachfolgeplanung.

Herausragende Unternehmen basieren auf einer Kultur der Exzellenz – und diese beginnt ganz oben. Aufsichtsräte müssen nicht nur kontrollieren, sondern als Treiber exzellenter Unternehmensleistung agieren.

Kompetenz und Erneuerung gezielt vorantreiben

Ein eftektiver Aufsichtsrat stellt höchste Ansprüche auch an sich selbst. Er setzt auf Wirkung und Weit-sicht, überprüft kontinuierlich selbstkritisch seine eigene Zusammensetzung und stellt sicher, dass seine Kompetenzen den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen des Unternehmens gerecht werden.

Die Mitglieder des Aufsichtsrats müssen dem Management auf Augenhöhe begegnen können – idealerweise mit einem Erfahrungs- und Wissensvorsprung in strategisch relevanten Zukunftsthemen. Es liegt in der Verantwortung des Aufsichtsrats, die erforderliche Kompetenz im Gremium sicherzustellen. Dazu gehört auch, Investorenperspektiven in die Definition des Kompetenzprofils einzubeziehen, beispielsweise durch den Nominierungsausschussvorsitz.

Für viele Unternehmen ist internationale Expertise essenziell, kann jedoch in mitbestimmten Aufsichtsräten aufgrund von Sprachbarrieren zur Herausforderung werden. Hier gilt es, praktikable Lösungen zu finden, um relevante internationale Erfahrung und eine globale Perspektive im Gremium zu gewährleisten.

Aktionären sollte regelmäßig die Möglichkeit gegeben werden, über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats abzustimmen – etwa durch kürzere Amtszeiten, wie in der Schweiz oder Großbritannien, oder durch die Einführung sogenannter Staggered Boards. Dies ermöglicht eine kontinuierliche Anpassung des Gremiums an die aktuellen Unternehmensanforderungen.

Dabei geht es nicht nur um Kompetenz, sondern auch um Unabhängigkeit: Ein wirksamer Aufsichtsrat lässt sich nicht von kurzfristigem Druck leiten, sondern bewahrt seine Objektivität und trifft Entscheidungen, die auf langfristiger unternehmerischer Verantwortung beruhen. Gleichzeitig ist Kontinuität unverzicht-bar, denn neben der erforderlichen Expertise sind eine tiefe Kenntnis des Unternehmens und eine gelebte Vertrauenskultur im Gremium essenziell, damit der Aufsichtsrat als starkes Team seine volle Wirkung entfalten kann.

Jetzt den Impuls setzen

Der Wandel ist unausweichlich – die Frage ist, wer ihn aktiv gestaltet. Deutsche Unternehmen brauchen starke, zukunftsorientierte Aufsichtsräte, die mit Weitblick den Wandel nicht nur begleiten, sondern vor-antreiben. Wer Verantwortung übernimmt, formt nicht nur den Unternehmenserfolg, sondern stärkt den Wirtschaftsstandort Deutschland. Jetzt ist die Zeit, einen neuen Standard zu setzen. Keine Ausreden mehr – es ist Zeit, entschlossen mitzugestalten.

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